Bernhard Geringer, Leiter des Motorensymposiums, ist Vorsitzender des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) und Professor an der TU Wien für Fahrzeugtechnik und Automobilantriebe.
ÖVK / Klaus Ranger

Die Atmosphäre auf dem 45. Wiener Motorensymposium hatte nichts mehr von einem Kongress, der tanzt. Während man sich in den vergangenen Jahrzehnten gegenseitiger Wichtigkeit versicherte und im Großen und Ganzen einer Meinung war, nämlich dass die Geschäfte gut liefen und nächstes Jahr noch besser, ist mittlerweile echter Wettbewerb eingetreten.

Es geht nicht mehr um eine im Grunde genommen abstrakte Zahl wie den höchstmöglichen Einspritzdruck eines Verbrennungsmotors, sondern darum, den CO2-Ausstoß wirkungsvoll und schnell einzubremsen. Und da scheiden sich die Geister. Da prallen Meinungen und sogar Fakten frontal aufeinander: einerseits weil die Sache wirklich sehr kompliziert ist, andererseits weil wirtschaftliche Interessen im Hintergrund mitschwingen, die beileibe nicht leicht zu durchschauen sind.

Bunter Mix

Aus einer verschworenen Gemeinschaft von – sagen wir's flapsig – akademischen Benzinbrüdern ist ein bunter Mix aus Menschen unterschiedlichster technischer Bildung, Ausbildung, Vorbildung und – wie immer und überall auch – Einbildung geworden. Also eigentlich viel besser als die Klubatmosphäre früher.

Eines haben aber alle gemeinsam: Niemand leugnet mehr den menschlichen Anteil an der Klimaerhitzung. Damit würde man sich dann doch lächerlich machen. Eher noch dringt manchmal die Meinung durch, wenn wir schon das Pariser Klimaziel nicht schaffen, dann sollten wir nicht auch noch die Wirtschaft ruinieren. Denn die globalen Machtverschiebungen mit ungewissem Verlauf bereiten den Ingenieuren, Wissenschaftern und Topmanagern einiges Kopfzerbrechen. Die wirtschaftliche Dimension ist tatsächlich nicht einfach mit den Zielen des Klimaschutzes auf eine Reihe zu bekommen, noch dazu, wo die Politik aus Sicht von Technikerinnen und Kaufmännern immer wieder querschießt.

Wohin des Weges bei der Antriebstechnologie? Beim Pkw setzen praktisch alle Experten inzwischen auf Brasilien. Nein, Unsinn, auf Batterieelektrik natürlich.
Rudolf Skarics

So viele Diagramme, so viele beeindruckende Zahlen! Es gibt sachlich äußerst fundierte, aber doch sehr schwer fassbare Vorträge. Andere wiederum haben durch versierte Vortragende fast schon Show-Charakter. Und argumentieren kann man eh fast alles, egal ob unterkühlt oder hitzig vorgetragen. Befindet man sich beim Zuhören erst einmal in der geschlossenen Logikblase eines Vortrags, ist es vorübergehend einmal schwer, im Geiste Querverbindungen zu anderen Erkenntnissen und Wissensständen herzustellen.

So kommt es zu einem Paradoxon: Das Wort "Verbrennerverbot" ist das rote Tuch. Der Begriff "Technologieoffenheit" der Zopf, mit dem man sich aus dem Dilemma herausziehen möchte. Zwischen diesen beiden Denkpfeilern kann man so lange herumargumentieren, bis der Verbrenner wie ein Lösungsansatz zur Klimakrise dasteht.

Spagat zur Klimarettung

Mit einem Beispiel lässt sich der Spagat der Geschäftsideen zur Klimarettung am besten zeigen: Einige Autohersteller haben ihr Engagement fürs Elektroauto vor Jahren schon mit einem Bekenntnis zum Verbrennerausstieg unterstrichen. Verbrennerausstieg funktioniert aber sehr schwer für einen Weltkonzern – was ein Autohersteller fast immer ist –, da es ja Regionen gibt, wo noch lange kein Ende des Verbrennungsmotors in Sicht ist, weil die elektrische Infrastruktur das nicht zulässt.

So hat Volvo mit seinem chinesischen Mutterkonzern Geely ein eigenes Unternehmen namens Aurobay gegründet, das weiterhin Verbrennungsmotoren herstellt. Man beabsichtigt sogar, besonders kompakte Hybridpakete anzubieten, wobei der Ottomotor nicht viel größer ist als die übliche Leistungselektronik eines E-Autos. Dieses Verbrennerpaket kann man auch statt eines Elektromotors in ein Elektroauto einbauen. Das heißt, im Handumdrehen kann man aus einem Elektroauto einen Benziner oder Plug-in-Hybrid machen. Renault ist auch daran beteiligt.

Volvos chinesische Konzernmutter Geely und der Renault-Konzern betreiben das Verbrennungsmotoren-Joint-Venture Aurobay, der saudische Ölriese Aramco ist als strategischer Partner mit von der Partie. Deren Antriebseinheit, ein hyperkompakter serieller Hybridbenziner, könnte den Erdölausstieg verzögern.
Aurobay

Es handelt sich also um ein kompaktes Antriebsaggregat, das in der Lage ist, den Druck in Richtung Elektroauto herauszunehmen. Wenn es in einem Land ein Problem mit dem Stromnetz gibt, fährt man eben mit Benzin, anstatt die Stromversorgung zu verbessern.

Aurobay hat sich mit diesem konkreten Angebot zur Rettung des Verbrennungsmotors aus dem Stand zu einem der größten Autozulieferer der Welt entwickelt, während die etablierten Zulieferunternehmen auf dem Verbrennersektor erhebliche wirtschaftliche Probleme durch die Transformation zum Elektroantrieb haben. Nicht zufällig ist wohl auch der saudische Erdölriese Aramco als strategischer Partner im Boot.

Ernsthafte Bemühungen

Bei aller Cleverness, mit der sich die Erdölwelt gegen ihre Abschaffung stemmt, indem sie den Verbrennungsmotor mit Kräften unterstützt und am Ende der Argumentationskette immer dazusagt, man könne diesen ja auch mit regenerativ hergestellten Kraftstoffen betreiben, gibt es auch viele ernsthafte Bemühungen, aus dem Erdöl auszusteigen.

Über alle Interessenlagen je nach Geschäftsmodell und Branche hinweg sind sich fast alle einig: Beim Pkw ist der Elektroantrieb im Sinne des Klimaschutzes am sinnvollsten. Die Technik im Auto funktioniert, höhere Reichweiten sind noch möglich, Lademöglichkeiten müssen noch stark erweitert werden. Die Versorgung der europäischen Autoindustrie mit Rohstoffen ist nicht ganz unproblematisch. Aber die Versorgung mit Erdöl war auch niemals unproblematisch.

Das Gesicht zur Aurobays verbrennungsmotorischem Vorstoß: Michael Fleiss.
Aurobay

Anders sieht es beim Lkw aus. Trotz einiger Projekte von Lkw-Herstellern in Richtung Langstrecken-Batterie-Lkw: Die Ansicht, dass hohe Nutzlasten und große Reichweiten elektrisch schwer darstellbar sind und dass der batterieelektrische Weg in der Landwirtschaft und bei Baumaschinen oft nicht umzusetzen ist, erscheint als allgemeiner Konsens. Deshalb ist auch Wasserstoff als nachhaltiger Energieträger allgegenwärtig. Man kann ihn in der Brennstoffzelle oder auch im Verbrennungsmotor einsetzen.

Das Problem bei der Brennstoffzelle ist, dass sie hochreinen Wasserstoff benötigt, während der Verbrennungsmotor auch mit weniger sauberem Wasserstoff problemlos funktioniert. Derzeit gibt es für Wasserstoffprojekte sehr viele Förderungen. Es gibt aber auch extrem viel zu tun, die Liste an ungelösten Problemen ist lang, von der teuren umweltfreundlichen Herstellung bis zur Verteilung. Die Speicherung des Wasserstoffs bei sehr hohem Druck oder extrem niedrigen Temperaturen bleibt ein zentrales Problem. Der Tank allein ist teurer als die Brennstoffzelle und viel teurer als ein Verbrennungsmotor.

Beim Brems-Feinstaub werden vermutlich Messungen während der Fahrt nötig, ähnlich wie die RDE-Straßentests (Real Driving Emissions) für die WLTP-Zertifizierung.
Mercedes-Benz AG

Aber es gibt nicht nur ein Klimaproblem. Nachdem die Abgase aus dem Auspuff relativ gut im Griff sind, erhält alles, was von der Straße aufgewirbelt wird, neue Aufmerksamkeit. Der Vortrag von Michael Huber, TU Graz, dokumentierte, dass Bremspartikel bisher als Schadstoffe stark unterschätzt wurden. Es hat sich nämlich erwiesen, dass die Laborprüfungen nach Euro 7 auf dem Bremsprüfstand nur ein unvollständiges Bild der Wirklichkeit ergeben, sodass auch in diesem Fall wie beim Abgas On-Board-Messungen während der Fahrt notwendig erscheinen. Immerhin wurden dreifach höhere Werte festgestellt. Schwer vorstellbar, dass diese Diskrepanz nicht schon früher jemand geahnt hätte. (Rudolf Skarics, 30.4.2024)